DDG wettert gegen Info-Brief der deutschen Zuckerindustrie: „Plumper Versuch der Einflussnahme“

WVZ Info-Brief
Zuckerkonsum sei kein Risikofaktor für Diabetes, bilanziert die WVZ. Die DDG hält dagegen. © abcmedia / Fotolia

Die deutsche Zuckerindustrie wendete sich letzte Woche mit einem Info-Brief an die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Gesundheit. Darin beruft sich die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ) unter anderem auf Ernährungsempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und kommt zu dem Schluss, dass Zuckerkonsum kein Risikofaktor für Diabetes Typ 2 sei. Die DDG betrachtet diese Aktion als unseriös und weist die Argumentation als „manipulativ und plump“ zurück.

In ihrem Info-Brief stelle die WVZ laut DDG zunächst richtigerweise fest, dass Übergewicht ein Risikofaktor für die Entstehung von Typ-2-Diabetes sei. Aber, so schreibt der Verband weiter: „Zucker macht nicht dick.“ Für die Entstehung von Übergewicht sei nicht eine einzelne Zutat, sondern die Energiebilanz entscheidend. Das Fazit aus Sicht der WVZ: Zuckerkonsum sei kein Risikofaktor für Diabetes.

„Diese Argumentation ist unseriös, weil sie entscheidende Zusammenhänge bewusst ausspart“, unterstreicht Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. Selbstverständlich sei gegen den maßvollen Konsum von Zucker nichts einzuwenden. „Darum geht es in der aktuellen Debatte auch gar nicht“, betont der DDG-Präsident. „Das Problem ist jedoch unsere heutige Ernährungsweise mit einer Vielzahl industriell erzeugter Lebensmittel, die ein Übermaß an Zucker, Fett und Salz enthalten – und damit zu viele Kalorien.“ Diese Ernährungsweise mit hochkalorischen Produkten bringe mit sich, dass inzwischen über die Hälfte der Deutschen übergewichtig sei, was Diabetes und viele anderen Krankheiten zur Folge haben könnte. Insofern sei der weltweit viel zu hohe Zuckerverbrauch gesundheitsschädlich und müsse dringend zurückgeführt werden.

„Wenn es der Zuckerindustrie um eine seriöse Information gegangen wäre, hätte sie die Politiker auf diesen Missstand hingewiesen, anstatt die DDG-Empfehlungen manipulativ einzusetzen“, meint Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Denn nach der einschlägigen WHO Leitlinie sollte der Zuckerverbrauch nicht mehr als zehn Prozent der täglichen Gesamtenergieaufnahme ausmachen. Noch besser sei es, wenn der tägliche Zuckerverbrauch auf fünf Prozent reduziert werde (WHO Guideline; Sugars intake for adults and children, 2015. Entsprechende Empfehlungen hatte die WHO auch schon 2002 veröffentlicht). Zehn Prozent der Energieaufnahme für Erwachsene wären etwa 50 Gramm Zucker. Tatsächlich aber verzehre jeder Deutsche im Durchschnitt etwa das Doppelte an Zucker.

Mit dem Info-Brief knüpfe die WVZ an ähnliche Strategien der Tabakindustrie an, die jahrzehntelang erfolgreich versuchte, von den gesundheitlichen Folgen des Rauchens abzulenken, kritisiert die DDG. Auch die Lebensmittelindustrie hätte in den zurückliegenden Jahrzehnten weltweit immer wieder ausprobiert, mit zweifelhaften Methoden Teile der Politik und Wissenschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Hintergrund: Ärzte der University of California zeichneten jüngst in der Fachzeitschrift PLOS Medicine nach, wie die Zuckerindustrie in den USA seit den 70er Jahren erfolgreich daran arbeitete, die schädlichen Folgen von gesüßten Getränken und Speisen auf die Zahngesundheit zu verschleiern. Und die New York Times berichtete kürzlich, dass der Coca-Cola-Konzern Wissenschaftlern 1,5 Millionen Dollar zahlte, damit sie mangelnde Bewegung als den wahren Dickmacher identifizierten – und gleichzeitig die Bedeutung gesüßter Softdrinks relativierten.

„Wir gehen davon aus, dass die Gesundheitspolitiker diesen Info-Brief als das einstufen, was er ist: als einen plumpen Versuch der wirtschaftlichen Interessensvertretung, und nicht als einen serösen Beitrag zur Gesundheitsförderung“, sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz abschließend.

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