DZD-Wissenschaftler entdecken neuen Diabetestyp mit reversibler Ursache

Dresden / Neuherberg, 19.08.2015. Erstmals wurde in einer aktuellen Studie genauer spezifiziert, bei welchen Patienten mit Pankreastumoren, die eine Hyperglykämie und einen Diabetes entwickeln, sich nach partieller Pankreatektomie auch die Blutzucker-Homöostase verbessert. Die Ergebnisse können Ärzte dabei unterstützen, die postoperativen metabolischen Konsequenzen einer Pankreas-Resektion genauer einzuschätzen. Die Untersuchung wurde durchgeführt von Wissenschaftlern um Dr. Florian Ehehalt, Prof. Michele Solimena und Prof. Robert Grützmann aus der Abteilung für Chirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus und des Paul Langerhans Instituts Dresden des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, die  unter dem Dach des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) kooperieren.

Ein Zusammenhang zwischen Bauchspeicheldrüsenkrebs und Diabetes ist seit geraumer Zeit bekannt. Sekundär durch einen Pankreastumor entstehender Diabetes mellitus wird auch Typ-3c-Diabetes genannt. Der genaue Mechanismus hinter dieser Verbindung war hingegen lange ein Rätsel. Die Zusammenarbeit der Abteilung für Chirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus unter Prof. Weitz und der Forschungsgruppe für Molekulare Diabetologie unter Prof. Solimena konnte jetzt Licht ins Dunkel bringen. Die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie weisen darauf hin, dass es eine chirurgisch-reversible Form des Diabetes gibt, die grundsätzlich von anderen Formen des Diabetes unterschieden werden muss.

Als Ursache für die Entstehung dieses spezifischen, chirurgisch-reversiblen Diabetes-Subtyps vermuten die Wissenschaftler auf Basis ihrer Studiendaten, dass der Tumor der Bauchspeicheldrüse auf den benachbarten Gallengang drückt. Dadurch kann es zu seinem ganz oder teilweisen Verschluss kommen, wodurch sich die Galle in der Leber staut (Cholestase). Als Folge kann dies die Leberfunktion beeinträchtigen und zu einer gesteigerten Insulinresistenz und damit einem Diabetes führen. “Mit unserer erfolgreichen Studie beschreiben wir einen neuen, nach Entfernung des Tumors oft reversiblen Diabetestyp, der durch die Stauung der Gallengänge in der Leber und der dadurch hervorgerufenen Insulinresistenz ausgelöst wird”, erläutert Prof. Solimena. Die Autoren beschreiben diesen von ihnen neu definierten, nach Tumorresektion reversiblen Diabetes-Subtyp entsprechend als “Cholestase-induzierten Diabetes”.

Reversibler-Diabetestyp
DZD-Wissenschaftler des Paul Langerhans Instituts Dresden des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden entdecken reversiblen-Diabetestyp. Quelle: DZD.

Welche Patienten können hinsichtlich einer Verbesserung des Diabetes profitieren?
An der Studie nahmen 84 Patienten teil, die einen Teil des Pankreas aufgrund einer chronischen Pankreatitis, benigner oder maligner pankreatischer Tumore entfernen lassen mussten. Unmittelbar vor der Operation und drei Monate danach wurden unter anderem ein 120-minütiger oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt, der Nüchternglukosewert und eine Reihe von Co-Variablen erfasst. Anhand ihrer Glukosewerte drei Monate nach der Operation wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt: verschlechterte Glukosewerte, stabile Glukosewerte oder verbesserte Glukosewerte.

Patienten, die bezüglich ihrer Glukosekontrolle von einer partiellen Pankreatektomie profitierten, wiesen der Untersuchung zufolge präoperativ eine pathologische orale Glukosetoleranz auf, die Diagnose einer Glukose-Dysregulation lag weniger als 6 Monate vor der Operation, sie waren überwiegend älter als 50 Jahre und die Serum-Marker für einen Tumor, für akute Pankreatitis, für einen Verschluss des Gallengangs und für Leberzell-Schäden waren vor der Operation erhöht. Diese normalisierten sich postoperativ, und zwar unabhängig von der Art des Pankreas-Tumors.

Keine Verbesserung des Glukosemetabolismus durch partielle Pankreatektomie konnte dagegen bei Patienten mit chronischer Pankreatitis oder linksseitiger Resektion des Pankreas detektiert werden.

Schlussfolgerungen der Autoren
Die Ergebnisse dieser Studie können den Autoren zufolge Ärzte dabei unterstützen, die postoperativen metabolischen Konsequenzen einer Pankreas-Resektion genauer einzu-schätzen und die Aufklärung betroffener Patienten entsprechend zu verbessern. Zudem ergänzt die Untersuchung nach Auffassung der Wissenschaftler bisherige Befunde zur Assoziation von Diabetes und Pankreas-Karzinomen und zeigt, dass auch der Tumor selbst Hyperglykämie aufgrund von Leberzell-Schäden induzieren kann. Außerdem könnte nach Auffassung der Autoren eine zeitweise Kontrolle des Gallengangs, von Pankreas und Leberzell-Parametern während der ersten Monate nach Diagnose einer Glukosestoff-wechselstörung bei über 50-jährigen Patienten als ein effizienter und praktikabler Filter für ein Screening auf Pankreastumoren fungieren. Die Studienergebnisse müssen den Autoren zufolge nun durch weitere Untersuchungen bestätigt werden.

 

Quelle:
Ehehalt F et al. Blood Glucose Homeostasis in the Course of Partial Pancreatectomy – Evidence for Surgically Reversible Diabetes Induced by Cholestasis. PLoS One 2015; 10(8): e0134140. DOI: 10.1371/journal.pone.0134140
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0134140

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner.

Das Paul Langerhans Institut Dresden des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden (PLID) wurde im Zuge der Gründung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e.V. im Jahr 2009 geschaffen. Seit Januar 2015 ist es ein Satelliteninstitut des Helmholtz Zentrums für Gesundheit und Umwelt in München. Seit seiner Gründung 2009 konnten acht Professoren und fünf unabhängige Gruppenleiter für das PLID gewonnen werden. Dies gelang über die intensive Zusammenarbeit zwischen dem PLID, dem Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD), der Medizinischen Fakultät und dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und begründet sich auch auf dem  hervorragenden Ruf Dresdens auf dem Gebiet der Diabetesforschung. Der wissenschaftliche Fokus des PLID liegt auf der molekularen Zellbiologie, der Entwicklung, Regeneration und dem Schutz der Beta Zellen der Langerhans’schen Inseln des Pankreas zur Therapie und Prävention des Typ-1- und Typ-2-Diabetes.

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.200 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 34.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V.

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