Aktuelles aus der Diabetesforschung: Neuer Ansatzpunkt für regenerative Therapien

Betazellen in der Bauchspeicheldrüse gibt es in verschiedenen Varianten. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben nun einen Marker gefunden, der zwei Zellgruppen unterscheiden kann: Während die einen Insulin produzieren, um den Blutzucker im Gleichgewicht zu halten, bilden die anderen einen teilungsstarken Reservepool. Dies berichten die Forscher gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität München und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in der Zeitschrift „Nature“.

Diabetesforschung: regenerative Therapien
Diabetesforschern eröffnet sich ein neuer Ansatzpunkt für regenerative Therapien. © Eisenhans/Fotolia


Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse produzieren bei steigendem Blutzuckerspiegel das Stoffwechselhormon Insulin, um den Zuckerhaushalt im Gleichgewicht zu halten. Werden sie zerstört oder verlieren ihre Funktion, kann das zu schwerwiegenden Erkrankungen, wie Diabetes, führen. Doch nicht alle dieser Zellen sind identisch. „Es ist schon länger bekannt, dass es verschiedene Untergruppen der Betazellen gibt“, erklärt Professor Heiko Lickert, Direktor des Instituts für Diabetes- und Regenerationsforschung am Helmholtz Zentrum München. „Die molekularen Grundlagen waren bisher aber weitgehend unverstanden.“

In der aktuellen Studie suchten die Wissenschaftler um Professor Lickert nach molekularen Unterscheidungsmöglichkeiten für diese Untergruppen (sogenannte Marker). Dabei geriet ein Molekül besonders in ihren Fokus: das Protein Flattop, das in etwa 80 Prozent aller Betazellen vorlag. Diese Zellen ermittelten den Zuckergehalt ihrer Umgebung und gaben entsprechend viel Insulin ab – verhielten sich also wie reife Betazellen. Umgekehrt beobachtete das Forscherteam, dass Betazellen, in denen kein Flattop messbar war, eine besonders hohe Teilungsrate aufwiesen. „In unserem Versuchsmodell vermehrten sich diese Zellen bis zu vier Mal öfter als die Flattop-positiven“, erläutert der Studienleiter.

Um der Vermutung nachzugehen, dass es sich bei den teilungsaktiven Zellen ohne Flattop um Vorläufer der stoffwechselaktiven Zellen handelt, verwendeten die Wissenschaftler einen genetischen Trick, um das Schicksal einzelner Zellen zu verfolgen. Dieses sogenannte „lineage tracing“ verdeutlichte, dass die teilungsaktiven Reservezellen zu stoffwechselaktiven Zellen heranreifen können. Zudem bestätigten genetische Analysen, dass in den Flattop-negativen Zellen vor allem Gene für die Wahrnehmung der Umwelt aktiv waren, während in Zellen mit Flattop vor allem Stoffwechselprogramme abliefen.

„Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass es sich bei den Flattop-negativen Zellen um eine Art Reservepool handelt, der sich stetig erneuert und Nachschub für reife Betazellen ausbilden kann“, unterstreicht Professor Heiko Lickert. Durch die jetzt mögliche Unterscheidung der Zellgruppen, sei eine saubere Analyse der jeweiligen Signalwege möglich. Gerade mit Blick auf regenerative Therapien, machen die Ergebnisse den Forschern große Hoffnungen: „Die Verschiedenartigkeit der Betazellen wird schon mehr als 50 Jahre lang erforscht, nun scheint es, als ob wir anfangen zu begreifen, wie sich die Zellen verhalten.“

Perspektivisch ergeben sich laut den Forschern vor allem zwei Aspekte: Zum einen erhoffen sie sich für eine Regenerationstherapie, das Wachstum oder die Reifung von funktionellen Betazellen ankurbeln zu können. Zum anderen könne man versuchen über die von Flattop „getriggerten“ Signalwege, die Reifung von Betazellen in der Petrischale zu fördern, was für die Zellersatztherapie bedeutend, bisher aber noch nicht vollends möglich sei.

Original-Publikation: Bader, E. et al. (2016). Identification of proliferative and mature β-cells in the islet of Langerhans, Nature, DOI: 10.1038/nature18624.

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