xAlps 2025: Interview mit Ivo Rettig (Dialetics)

xAlps 2025

Mit Teamgeist durch Regen, Höhenmeter und Hypo-Kohlenhydrate: xAlps 2025. 130 Kilometer, 7.000 Höhenmeter, neun Tage, zwölf Menschen mit Typ-1-Diabetes – und unzählige unvergessliche Erlebnisse: Die Dialetics xAlps 2025 waren weit mehr als eine sportliche Herausforderung. Sie wurden zu einem emotionalen Abenteuer voller Höhen, Tiefen – und beeindruckendem Teamgeist. Wir wollten mehr erfahren und haben Ivo Löcher in den Bauch gefragt.

Interview mit Ivo über die xAlps 2025

Was lief unterwegs ganz anders, als du es erwartet hattest – positiv wie negativ?

Ivo: Das Wetter war tatsächlich durchwachsener als erhofft. Wir sind direkt am ersten Tag in strömendem Regen losgelaufen. Das hat uns aber abgehärtet und wir waren bestens gewappnet für jedes Wetter der kommenden Tage. Was ich auch nicht erwartet hatte: Uns blieb dank unseres perfekten Wandertempos der Muskelkater weitgehend erspart. Ich persönlich war überrascht, wie schnell 12 Menschen, die sich davor noch nicht kannten, zu einem Team zusammengewachsen sind. Von Tag 1 an wurde sich unterstützt und motiviert – man war jederzeit füreinander da, das hat diese Tour sehr besonders gemacht. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich 750g von dem einen Kilo Brot wieder mit nach Hause schleppe, wir waren deutlich häufiger Mittagessen als gedacht, die Käsespätzle waren einfach zu lecker:)

Gab es kritische Momente, in denen ihr umdenken oder improvisieren musstet?

Ivo: An einer Stelle war der Weg wegen der starken Regenfälle der letzten Tage abgerutscht und daher nicht mehr normal begehbar. Mit Hilfe eines Kletterseils konnten wir uns rückwärts laufend sicher den Hang abseilen und diese schwierige Stelle überwinden.

Was war das absolute Highlight – ein bestimmter Moment, ein Dialog, ein Sonnenaufgang?

Ivo: Ein einziges Highlight herauszupicken fällt mir extrem schwer. Jeder Tag war anders, jeder mit seinen eigenen atemberaubenden Momenten. Wir haben in Eisbächen und -seen gebadet, sind über schmale Brücken oder an steilen Abhängen gewandert, haben eine Schneeballschlacht mit dem letzten Schnee des Jahres gemacht, haben äußerst lecker gegessen, haben unterschiedliche Sonnenauf- und untergänge bestaunt, sind auf Gipfel gestiegen, haben Eis gegessen, stürmischem Regen getrotzt, Blasen beklebt, Kohlenhydrate und FPE geschätzt, BZ-Werte besprochen und vieles mehr. Ich würde sagen, mein Highlight war diese besondere Gruppe, die Menschen, die dort zusammenkamen. Sie haben diese 9 Tage zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen.

Wie hat die Gruppe miteinander funktioniert – gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Diabetesverläufe und Tagesformen?

Ivo: Ich glaube dadurch, dass wir alle Diabetes haben, standen wir uns von Tag 1 an näher als wir alle erwartet haben. Es war von Beginn an eine sehr schöne, freundliche, motivierte, empathische und euphorische Stimmung in der Gruppe. Es waren Menschen mit ICT, AID oder Pumpe mit Sensor dabei, wir waren sechs Frauen und sechs Männer von 19 bis 67 Jahren. Diese Diversität war eine Bereicherung für die Gruppe. Das hat sich auch in den Gesprächen zu Blutzuckerverläufen und der Tagesform widergespiegelt. Die BZ-Verläufe waren meist sehr gut. Wir hatten während der gesamten Tour keine schwere Unterzuckerung. Wir haben regelmäßig Pausen gemacht, BZ-Werte gemessen und bei Bedarf korrigiert oder etwas gegessen. Auch da waren alle TeilnehmerInnen füreinander da, es wurden fleißig Hypo-Kohlenhydrate geteilt. Es gab auch den ein oder anderen niedrigen Blutzucker, wegen dem wir dann Pause gemacht haben. Das war für alle selbstverständlich.. Über die Nacht gab es immer wieder mal Alarme von unseren Pumpen oder Sensoren, die haben aber mehr unsere Zimmernachbarn gestört als uns selbst. Wir hatten alle unsere Hypo-KEs am Bett und konnten so auch in der Nacht entsprechend handeln. Es hat sich gezeigt, dass die Vorbereitung der Gruppe durch die Dialetics Online-Schulungen und die Trainings-Wanderungen eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der xAlps 2025 war. Es war besonders schön zu sehen, wie die Gruppe untereinander Strategien für das Blutzuckermanagement ausgetauscht hat – selbst diejenigen, die schon lange mit der Diagnose leben, hatten so einige Aha-Effekte.

Gab es ein „Wir schaffen das“-Erlebnis, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ivo: Das Abendessen am zweiten Abend, der Tisch war so reichlich mit Schnitzel, Bratkartoffeln, Salat und anderen Leckereien gefüllt und die Wirtin so eine herzensgute Person, dass wir es uns nicht haben nehmen lassen, alle Teller fein aufzuessen. Das war selbstverständlich das einzige “Wir schaffen das”-Erlebnis ;)-

An Tag 6 stand uns der herausfordendste Tag mit über 1200 Höhenmeter und 25 km bevor. Abends haben wir gemeinsam mit unserem Bergführer Ralf die Route und die Wetterprognose besprochen. Genau zu der Zeit kam dann auch das Care-Paket von DiaShop mit einer neuen Ladung Hypo-Snacks – bestes Timing! Wir haben uns alle unglaublich gefreut und wussten: Mit frisch aufgefüllten Snack-Vorräten können wir den Tag voller Energie und hoch motiviert angehen.

Was habt ihr über Typ-1-Diabetes unter Extrembedingungen gelernt?

Ivo: Jede Situation ist individuell und erfordert Maßnahmen, die auf die jeweilige Person abgestimmt sind. Die gängigen Empfehlungen zu Diabetes und Sport geraten hier teilweise an ihre Grenzen. Mindestens genauso wichtig wie das theoretische Wissen ist eine gute Vorbereitung, eine breite Analyse der eigenen BZ-Werte bei Sport und Bewegung und ein fundiertes Verständnis des eigenen Therapiesystems (AID, Pen, Pumpe) sowie des eigenen Stoffwechsels in solchen Situationen. Jeder Teilnehmende hat ganz individuelle und darauf genau abgestimmte Maßnahmen, um den Blutzucker auch bei einer so anstrengenden und herausfordernden Tour über mehrere Tage im Zielbereich zu halten. Wir haben es als Gruppe geschafft, die meiste Zeit zwischen 70% und 80% im Zielbereich zu bleiben. Das war nur möglich, weil sich alle davor intensiv mit ihren BZ-Verläufen auseinandergesetzt haben, gerade unter sportlicher Betätigung. Kleine Anpassungen haben wir dann auch noch vor Ort gemacht, denn natürlich kamen auch noch Faktoren hinzu, die man nicht planen kann – zum Beispiel Adrenalin oder Wetter. Aber alles in allem kann man sagen, dass jede Person mit Diabetes, die das möchte, es mit der richtigen Vorbereitung auch schaffen kann.

Hattest du das Gefühl, dass sich manche die Tour ganz anders vorgestellt hatten – körperlich, emotional oder bezogen auf das Diabetes-Management?

Ivo: Ich denke, die wenigsten Menschen können einschätzen, was so eine Tour bedeutet, bevor sie sie gemacht haben. Daher haben wir ein umfangreiches Trainingsprogramm und einige Vorbereitungstermine mit den TeilnehmerInnen gemacht. Aber auf manches kann man sich nicht immer vorbereiten, beispielsweise war das Wetter am ersten Tag direkt sehr schwül, regnerisch, stürmisch und damit besonders anstrengend. Auch die Höhe kann es in diesem Zusammenhang besonders anspruchsvoll machen. Darüber sollte man sich im Vorfeld bei so einer Tour durchaus im Klaren sein. Sicherlich gab es Momente, die den einen oder die andere überrascht haben. Bspw. gab es TeilnehmerInnen, die sich gefragt haben, wie es wohl ist, mit so vielen “Unbekannten” in einem Matratzenlager zu schlafen, oder mit so vielen Menschen unterschiedlichen Alters unterwegs zu sein. Aber ich würde sagen, dass daran am ersten Tag schon niemand mehr gedacht hat. Auf das Diabetes-Management bezogen hat es viele überrascht, wie groß der Einfluss dieser ungewohnten Intensität an Bewegung und Dauer auf den Blutzucker ist. Bei einigen hat sich der Insulinbedarf etwa halbiert.

Was würdest du Menschen mit Diabetes sagen, die von so einer Tour träumen, aber sich (noch) nicht trauen?

Ivo: Der erste Schritt ist der wichtigste: die Entscheidung, eine solche Tour in Angriff zu nehmen. Die Gemeinschaft gibt zudem unglaubliche Sicherheit. Ich würde  jedem raten, sich Schritt für Schritt darauf vorzubereiten: mit Wanderungen,  gezielten Trainings und ausreichend Zeit für die Analyse und Optimierung der Blutzuckerwerte – auch gemeinsam mit anderen Menschen mit Diabetes. Ganz nach dem Motto: “Übung macht den / die MeisterIn”. Gerne kann ich im Rahmen meines Mentorings auch dabei unterstützen. Und wer jetzt denkt: So eine Alpenüberquerung würde ich auch gerne mal machen, habe ich gute Nachrichten: Die Dialetics xAlps soll 2026 wiederholt werden. Auf die werden wir uns natürlich auch wieder gemeinsam mit einem Trainingsplan gemeinsam vorbereiten. 

Planst du eine Fortsetzung oder neue Projekte in dieser Art?

Ivo: Ja absolut, die Dialetics xAlps 2026 sind schon in Planung. Wir freuen uns über ein sehr positives Feedback unserer Sponsoren, Partner und TeilnehmerInnen. Die Anzahl der Bewerbungen aus diesem Jahr hat die freien Plätze bei weitem übertroffen und wir freuen uns, im kommenden Jahr wieder einigen Menschen die Chance geben zu können, diese einmalige Tour mit uns zu meistern. Für 2026 planen wir auch noch andere Events, über die wir dann auf unserer Website www.dialetics.com informieren werden.

Wenn du die Tour in einem einzigen Wort oder Satz beschreiben müsstest – wie würde der lauten?

Ivo: Menschen, die zu Freunden werden, schreiben gemeinsam Geschichte.

Teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert