Julia Kaiser hat kürzlich auf der Veranstaltung „Von der ICT zur Insulinpumpe“ von DIASHOP von ihren Erfahrungen berichtet. Sie liebt das Segelfliegen, doch mit Diabetes Typ 1 ist das in Deutschland nicht möglich. Sie hat eine spannende und zugleich sehr emotionale Geschichte zu erzählen.
Unser Interview mit Julia Kaiser übers Segelfliegen
Julia, magst du dich kurz vorstellen?
Ich bin 30 Jahre alt, komme gebürtig aus Engelskirchen, wohne (Job- und Fortbildungsbedingt) in Rösrath. Ich bin im Luftsportverein Bergische Rhön Lindlar e.V aktiv. Ich arbeite als Entwicklungsingenieurin bei einem Kunststoffhersteller und interessiere mich sehr für das Thema Kunststoff Spritzguss, aber auch für die Technik der Segelflugzeuge, das jedoch im privaten Bereich. Meine absolute Leidenschaft und meine Freizeit ist definiert durch mein liebstes Hobby, das Segelfliegen. Jede freie Minute habe ich vor meiner Diabetes-Diagnose dem Flugplatz gewidmet.
Julia, seit wann und wie wurde der Diabetes bei dir diagnostiziert?
Das war 2019, wenige Tage nach der Prüfung meiner Segelfluglizenz. Vier Jahre lang ließ ich mich im Luftsportverein Lindlar zur Segelfliegerin ausbilden. 2019 bestand ich dann mit 28 Jahren die Prüfung. Mir kamen vor Freude fast die Tränen. Ich fühlte mich allerdings schon wenige Tage vor der Prüfung nicht wohl. Ich hatte Sehstörungen, Harndrang und Durst. Ich dachte an eine Grippe. Nach der Prüfung kamen Halsschmerzen, Erbrechen und schwere Atemnot hinzu. Letztendlich fand ich mich dann auf der Intensivstation wieder und bekam die Diagnose: Diabetes Typ 1. Zu diesem Zeitpunkt war meine Lizenz gerade irgendwo in der Post auf dem Weg zu mir nach Hause.
Das war sicherlich ein großer Schock?! Wie bist du damit umgegangen?
Ja, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war vor allem geschockt, als meine Fliegerärztin mir mitteilte, dass ich nicht mehr fliegen darf. Das ist meine größte Leidenschaft! Man teilte mir mit, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes in Deutschland grundsätzlich die Flugtauglichkeit, das sogenannte Medical, aberkannt wird. Aber so schnell lasse ich mich nicht unterkriegen. Schließlich ist die Diabetestechnologie und das Diabetesmanagement schon weit fortgeschritten, Dank CGM-Systemen, Insulinpumpen und AID-Systemen ist das Risiko von Hypo- und Hyperglykämien deutlich reduziert.
Ich habe erst einmal etwas Abstand vom Flugplatz genommen, da ich das ganze verarbeiten musste. Ich hatte nämlich große Pläne geschmiedet: eigenes Flugzeug, Streckenfluglehrgänge besuchen, an Wettbewerben teilnehmen und einfach jede freie Sekunde in der Luft verbringen. Und von einem auf den anderen Tag sollte das alles passé sein. Das braucht Zeit und der Abstand hat mir erst einmal gutgetan. Jetzt bin ich aber wieder voll und ganz bereit für die kommende Saison.
War das der Grund, warum du von der ICT auf die Insulinpumpe (Accu Check Insight Loop) umgestiegen bist, auch in der Hoffnung schneller wieder fliegen zu dürfen? Welche Vorteile bringt die Insulinpumpentherapie für dich?
Mitunter, die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber die Insulinpumpentherapie bringt generell viele Vorteile mit sich. Ich hatte nachts/in den Morgenstunden erhöhte Werte und die habe ich mit der Insulinpumpe gut in den Griff bekommen. Ich schätze die Flexibilität, beispielsweise für die Bewegung im Alltag und bei den Mahlzeiten sehr. Ich kann den Bolus einfach und diskret per Knopfdruck abgeben und es sind keine Insulininjektionen mit dem Pen mehr notwendig. Mein Blutzucker bzw. meine Glukosewerte sind auch stabiler als bei der ICT-Therapie. Ich konnte schon im manuellen Betrieb (ohne Loop-Modus) deutliche Verbesserungen meiner Blutzuckerkurve verzeichnen.
Mit dem Einschalten des Loop-Modus, musste ich zwar sehr viel meiner Verantwortung und Überlegungen dem Manager übergeben und natürlich dem ganzen auch Vertrauen. Seitdem Loop-Modus gebe ich nur noch meine Kohlenhydrate in Gramm ein und meine sportlichen Aktivitäten. Alles andere übernimmt das AID-System und das braucht am Anfang viel Überwindung und Vertrauen. Solange ich dem System möglichst genaue und richtige Informationen übermittle, kann es die Blutzuckerwerte deutlich optimieren. Für mich ist das Loop-System eine große Bereicherung und es gibt mir viel Lebensqualität zurück. Wenn ich dann irgendwann noch wieder ins Cockpit dürfen sollte, hätte ich alles erreicht, um möglichst wieder ein Leben wie vor der Diagnose zu haben.
Was genau hast du unternommen, damit du deinem Traum vom Segelfliegen weiterhin nachgehen kannst?
Ich habe auf meinem Instagram-Account das Segelfliegen thematisiert und auf die Problematik aufmerksam gemacht, dass Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes aus dem Cockpit ausgeschlossen sind. Daraufhin erhielt ich viele Nachrichten von anderen Typ-1-Pilot:innen. Wir haben uns vernetzt, eine Petition gestartet und diese bei der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) eingereicht. Mit Erfolg: Die EASA hat ein Forschungsprojekt ausgeschrieben, welches dazu beitragen kann, die Flugtauglichkeit in Zusammenhang mit Diabetes grundsätzlich neu zu bewerten. Im besten Fall entsteht dadurch ein Regelwerk zur Erteilung von Fluglizenzen an Menschen mit Diabetes.
Vielen Dank für das spannende Interview, Julia. Wirklich beeindruckend. Seid ihr selbst am Segelfliegen interessiert oder habt ihr noch weitere Fragen an Julia? Dann schreibt das doch gerne in die Kommentare.
Hallo,
ich bin seit 52 Jahren Typ 1 Diabetiker und derzeit daran, den SPL UL(LL) (ohne Medical) zu machen. Die Geschichte von Julia Kaiser interessiert mich und ich würde gerne mit ihr Kontakt aufnehmen, da ich schon einige Erfahrungen gesammelt habe.
Könnt ihr meine Emailadresse bitte an Julia weiterleiten.
Danke und Grüße vom Bodensee
Heinz
Hallo Heinz, na klar. Haben Julia deine Mail-Adresse bereits weitergeleitet. LG Steffi
Hallo Steffi, mir geht es ähnlich wie Julia. Von daher würde ich mich auch gerne vernetzen, ob noch eine Chance besteht, hier meine Flugausbildung wahrzunehmen – trotz Typ 1 Erkrankung.
Schöne Grüße Tobias
Hallo Julia,
bin gerade am überlegen selber den Segelflugschein in Österreich zu machen.
Aber meiner Großmutter und Mutter sind beide an Typ 1 erkrankt und ich habe natürlich bedenken das bei es mir auch mal so weit sein wird. Wie sieht es zur zeit aus ? Denkst du es wird bald einen ausweg geben?
Lg Bernhard
Hallo,
hier bekommt ihr einen guten Überblick was alles geschehen ist und was es in anderen Ländern gibt. Zum Beispiel Österreich: https://www.medical-tribune.de/meinung-und-dialog/artikel/stillstand-nach-der-diagnose-1
Ansonsten könnt ihr gerne Kontakt aufnehmen, über den diashop. Die können Euch dann meine E-Mail Adresse geben. Oder ihr findet mich auf Instagram jules_flights . Da bin ich sehr aktiv und berichte über das Segelfliegen mit Diabetes. Ich habe zwar kein Medical und derzeit ist es auch nicht möglich in Deutschland eins zu erhalten, aber zum Glück gibt’s Doppelsitzer mit doppelter Ausstattung. Also kann man auch Mal steue…. ähm ich sag nichts 😉
Liebe Grüße
Julia
Hallo zusammen,
ich habe ebenfalls Typ 1 seit 25 Jahren und trage seit 2 Jahren ein CGM-System. Ich interessiere mich sehr für die Fliegerei und habe 2022 den Endschluss gefasst, endlich eine Fluglizenz zu erwerben (LAPL (A)).
Leider wurde vor diesen Traum (erstmal) ein Riegel geschoben.
Gerne würde ich mich dazu mit Julia und auch mit den anderen vernetzen. Bin allerdings nicht auf den Social-Media Kanälen vertreten.
Würdet Ihr bitte meine E-Mail Adresse an Julia oder auch Heinz weitergeben?
Vielen Dank und Grüße
Nico
Hallo Nico, das machen wir. Liebe Grüße Steffi