SERIE (32): Felix Petermann plaudert aus dem Nähkästchen: Wenn der Berg ruft habe ich immer ausreichend Not-BE’s im Rucksack

Es gibt einige Dinge, die sich in meinem Leben während des letzten Jahres verändert haben: beispielsweise der Schritt vom Pen zur Pumpe, vom Bachelor- zum Master-Studenten und vom Leistungssportler zum Freizeitathlet. Vor ein paar Wochen stand ich erstmals seit über einem halben Jahr wieder auf dem Fußballplatz. Nicht einmal zwei Minuten hat es gedauert, bis meine Beine am liebsten ihre Arbeit aufgegeben hätten. Die 0:5-Niederlage schmerzte mich als Torwart weitaus weniger als die inzwischen ungewohnte körperliche Anstrengung. Nun könnte man vermuten, dass ich aus meinem Fehler gelernt habe. Weit gefehlt!

Not-BE's
Wenn der Berg ruft habe ich immer ausreichend Not-BE’s im Rucksack.

Ende April ging es für ein Wander-Wochenende mit meinem besten Freund in den Yosemite-Nationalpark, der knappe vier Autostunden von Palo Alto entfernt ebenfalls in Kalifornien liegt. Freitagnachmittag machten wir uns mit Wanderschuhen, reichlich Wasserflaschen und Unmengen an Not-BE’s auf den Weg Richtung „Sierra Nevada“, einer Gebirgslandschaft in Nord-Kalifornien. Bei längeren Touren auf teils entlegenen Pfaden bedarf es besonderer Vorbereitung für Uns als Menschen mit Diabetes. Neben gängigem Proviant wie Wasser und kleinen Snacks sollte man bei den Not-BE’s lieber zu viel mitnehmen. Für den ersten Tag hatten wir uns eine – laut Wegbeschreibung – neunstündige Wanderung zum „North Dome“ ausgesucht, von dem aus man einen freien Blick Richtung Tal hat und über 1.000 Höhenmeter zurücklegt. Was also eignet sich für eine solch anstrengende und ungewohnte körperliche Belastung am besten als Not-BE?

Not BE's
Bei einer anstrengenden und ungewohnten körperliche Belastung habe ich immer eine Mischung aus schnellen und langsamen Kohlenhydraten dabei.

Für mich persönlich ist es eine Mischung aus schnellen und langsamen Kohlenhydraten. Da das Gewicht beim Bergsteigen eine entscheidende Rolle spielt, greife ich statt zu Saft oder Cola lieber zu konzentrierteren zuckerhaltigen Getränken. Hier in Amerika ist „Gatorade“-Pulver dabei meine erste Wahl (in Deutschland würde Instant- oder Krümeltee eine ähnliche Funktion erfüllen). So kann ich in eine 500ml-Flasche locker bis zu 150gr Kohlenhydrate quetschen. Ist zwar nicht sehr schmackhaft, aber dafür praktisch, weil es bei drohenden Unterzuckerungen schnelle Hilfe bietet. Der Nachteil: genauso schnell, wie der Blutzucker durchs „Gatorade“ steigt, kann er auch wieder sinken. Neben zwei solcher „Zuckerflaschen“ benötigt man also auch solche Kohlenhydrate, die eine längere Wirkdauer erzeugen. Müsli- und Fitness-Riegel bieten sich hier an, Obst und Brot ebenfalls. Und auch davon reichlich. Folgende Zutaten waren auf meiner Versorgungsliste:

  • 2x 500ml hochkonzentriertes „Gatorade“ (ca. 30 BE)
  • 10x Müsli-Riegel (ca. 20 BE)
  • 3x große Äpfel (ca. 9 BE)
  • 5x Toastscheiben (ca. 5 BE)
  • 1x Tüte Gummibärchen 200gr (ca. 16 BE)
  • 3x Stangen Mentos (ca. 10 BE)

Insgesamt also etwa 90 BE nur für mich. Einkalkuliert hatte ich dabei etwa sechs BE pro Stunde, der Überschuss als Reserve. Darüber hinaus hatte ich meine persönliche Basalrate von einer Einheit pro Stunde für die komplette Wanderung ausgeschaltet. Aus den neun Stunden wurden am Ende 12, da wir weiter oben auf dem Berg mit kurzen Hosen und Wanderschuhen im Schnee nicht so schnell vorankamen. Wieder zurück am Auto hatte ich noch eine Stange Mentos und einen Müsli-Riegel übrig, das war alles. Und die Pizza zum Abendessen, mit etwa 12 BE an Kohlenhydraten, habe ich mit lediglich 20 Prozent der normalen Bolusrate abgedeckt.

Mein Tipp für jeden Diabetiker, der das Wandern nicht gewohnt ist: unterschätzt die Belastung nicht und nehmt ausreichend Not-BE’s mit. Plant Eure Route vorher gewissenhaft und brecht mindestens mit einer Begleitperson zum Gipfelsturm auf. Dann kann Euch auch der Mount Everest nicht aufhalten 😉

Bis bald, Euer Felix!

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